AGs

Beschreibungen der Arbeitsgruppen, Lesehinweise, Kontakte etc.:

 

Sa, 19.11.2011 von 10.30 bis 13.30 Uhr

Arbeitsgruppenphase I

 

(1)   w2eu.info: Webguide* für Flüchtlinge und MigrantInnen auf dem Weg durch Europa (No Border)

„I can see clearly now what Europe looks like, that it sends its armies to fight us at the sea and puts us in awful prisons. Together we have to start a second journey to another safe place that might exist in the future.“ (Eritrean woman, arriving on the island of Lesvos)

Vom Beginn der Reise an, an den Außengrenzen Europas beginnt ein inhumanes Migrationsregime zu wirken: Menschen wird der Eintritt verwehrt, sie werden eingesperrt und abgeschoben. Nichtsdestotrotz kommen sie und fordern dieses Regime damit heraus. Wir sagen willkommen auf diesem schwierigen Trip und wünschen allen eine gute Reise, denn Bewegungsfreiheit ist ein Recht aller!

w2eu.info soll auf dem Weg durch Europa Zugang zu nützlichen Kontakten und Beratungsmöglichkeiten ermöglichen. Der Webguide ist viersprachig (englisch, französisch, farsi, arabisch) und versucht Informationen aus allen EU-Ländern (und darüber hinaus auch aus Transitländern wie Türkei, Ukraine und Marokko) zusammenzustellen. Über eine Karte können Informationen zu den einzelnen Ländern direkt und über verschiedene Topics auch allgemeine Informationen gefunden werden.

Die Idee eines solchen Guides geisterte bereits seit Jahren immer wieder mal durch antirassistische Köpfe. Begonnen mit der Umsetzung haben wir beflügelt durch die direkten Kontakte mit neu Ankommenden während des Nobordercamps auf Lesvos 2009. Inzwischen sind AktivistInnen aus diversen Ländern daran beteiligt. Das Kontaktformular wird bereits rege genutzt, weil bereits viele Visitenkarten mit der Adresse in Umlauf sind (vor allem in Griechenland werden sie regelmäßig verteilt).

Da w2eu.info gerade erst laufen lernt, suchen wir immer Unterstützung: vor allem für Übersetzungen von englisch auf französisch, farsi und arabisch. Aber auch für das Pflegen der Kontakte in die verschiedenen Länder, durch Beisteuern einfach gehaltener Informationen zu einzelnen Bereichen etc.. Für den Workshop sind alle herzlich eingeladen, die sich vorstellen können, konkret am und mit dem Webguide zu arbeiten.

Gewünscht ist aber auch eine Diskussion über Möglichkeiten der Verbreitung und Erweiterung. Welche Informationen sind interessant? Welche Arten der Informationsweitergabe wären jenseits der statischen Webseite wünschenswert (angedacht wurden MP3-Files zu speziellen Themen, Facebook-Account, das Einrichten von Foren, Printouts zu bestimmten Themen etc.).

Webseite: http://w2eu.info
Kontakt: contact(at)w2eu.info

 

(2)   Resettlement*– Visakampagne – Freiheit statt Frontex: Forderungen und Kampagnen im Horizont der Bewegungsfreiheit (No Border)

„Freiheit statt Frontex – Keine Demokratie ohne globale Bewegungsfreiheit“, so ist eine vielbeachtete Deklaration überschrieben, die drei migrationspolitische Netzwerke angesichts des revolutionären Aufbruchs in der arabischen Welt im März 2011 veröffentlicht haben.
Tatsächlich sitzen bis heute Tausende vor allem subsaharische Flüchtlinge in den Lagern an der libyschen Grenze fest. Nicht nur der „Choucha-Appell“, der u.a. von medico und Pro Asyl unterstützt wurde und die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa fordert, ließ die Verantwortlichen ungerührt. Auch der UNHCR stieß mit seiner Bitte um Resettlement-Plätze in Europa auf taube Ohren, obwohl diese Forderung ja nur die bereits anerkannten „schutzbedürftigen“ Flüchtlinge betrifft, also selektiv ist. Sollen wir sie trotzdem – z.B. im Rahmen der „Save me“-Kampagne – (weiter) unterstützen und wenn ja, wie?
Die mehreren tausend tunesischen Boatpeople (Harragas), die nach dem 14. Januar 2011 die Chance nutzten, nach Italien zu gelangen, gelten als „Wirtschaftsmigranten“, die „nur“ ein besseres Leben suchen, und alle, die nach dem 5.4.11 ankamen oder in den letzten Wochen vermehrt nach Lampedusa übersetzten, wurden und werden sofort interniert und schonungslos abgeschoben. Im Zusammenhang mit den arabischen Revolutionen wird auch aus unseren Kreisen die Forderung nach Visafreiheit im mediterranen Raum erhoben. Ist diese Forderung nicht auch selektiv, zumindest wenn nicht klar die Ablehnung der Wachhundrolle gegenüber Subsahara-Afrika damit verbunden wird? Oder kann sie, wenn sie beispielhaft von einer Bewegung für Demokratie erhoben wird, eine Vorreiterrolle zum Durchbrechen des EU-Grenzregimes spielen?
Um Appellen und Forderungen Nachdruck zu verleihen, entstand die Idee der Schiffe der Solidarität, die im April 2012 als „Boats4People“ von Italien Richtung Tunesien starten sollen. Das euro-afrikanische Projekt zielt auf eine mediterrane Vernetzung, die ein dauerhaftes Monitoring zwischen der nordafrikanischen Küste und den südeuropäischen Inseln in Gang bringen will. Die skandalösen Vorgänge auf dem Meer sollen dokumentiert und öffentlichkeitswirksam angeklagt werden. Es geht um die Rechte der Harragas wie der TransitmigrantInnen. Es soll alles dafür getan werden, dass Schiffbrüchige gerettet werden. Was können und wollen wir tun, um diese Aktion zu unterstützen?
Lesehinweise:
Freiheit statt Frontex bei www.afrique-europe-interact.net 
oder Direktlink: www.afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=429&clang=0
Choucha Appell: www.medico.de/choucha-appell
Save-me-Kampagne: http://www.save-me-kampagne.de/
Tunesien zwischen Revolution und Migration bei http://bordermonitoring.eu
Schiffe der Solidarität: http://www.boats4people.org

mit kurzen Inputs von Flüchtligsrat Hamburg und kein mensch ist illegal/Hanau

 

(3)   „Fingers in Hungary“- konkrete Dublin II-Erfahrungen von Jugendlichen (No Border)

Wir, eine Gruppe von jungen Flüchtlingen, werden in dem Workshop anhand von Schilderungen, einigen Fotos und filmischen Interviews über Erfahrungen von Flüchtlingen in Ungarn berichten. Einige von uns haben in Ungarn als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gelebt und sind aufgrund der schwierigen Lebensumstände seit einiger Zeit in Hamburg. Andere werden ihre Eindrücke schildern, die sie auf einer zweiwöchigen Recherchereise im Juli 2011 über die Situation von Menschen, die einen Asylantrag in Ungarn stellen mussten, gewonnen haben. Was uns verbindet sind die Erfahrungen an den EU-Außengrenzen und die Erfahrungen innerhalb verschiedener europäischer Länder, in denen unsere Rechte mit Füßen getreten wurden und werden.
An verschieden Orten in Ungarn in Nyírbátor, Kiskunhalas, Debrecen, Bicske, Balassagyarmat und Budapest sind wir mit Personen ins Gespräch gekommen oder haben selbst Erfahrungen in diesen Flüchtlingsgefängnissen, Lagern und auf der Straße machen müssen. Wir werden unter anderem schildern, wie sich das Ankommen in Ungarn gestaltet, über Erfahrungen mit Rückschiebungen nach Serbien berichten, das Leben in den Gefängnissen und Lagern und in der Obdachlosigkeit beschreiben, über Erfahrungen mit dem medizinischen Altersfestellungsverfahren berichten, die Erfahrungen über Weiterflucht in andere europäische Länder und über die im Rahmen der Dublin-II-Verordnung erlebten Rückschiebungen sprechen.
Die katastrophalen Lebenssituationen von Flüchtlingen in Ungarn sollen öffentlich werden.
Wir wollen gemeinsam überlegen, welche Möglichkeiten wir haben, gegen die Dublin-II Abschiebungen zu kämpfen. Wir wollen uns vernetzen und uns für unsere Rechte einsetzen.
Bewegungsfreiheit für Alle!

 

(4)   Lageralltag: Erfahrungen von Flüchtlingen (No Lager)

Immer wieder gibt es Nachrichten darüber, dass sich die Situation für Flüchtlinge in dem einen oder anderen Landkreis verbessert habe.
wir stelle uns allerdings die Frage ob und wie sich etwas verändert

  • Geht es um Residenzpflicht?
  • Geht es um Gutschein?
  • Geht es um Abschiebung?
  • Geht es um die Bleiberecht?
  • Geht es um das Lagersystem und den ganzen Institutionellen Rassismus, der dahintersteckt?

Der Alltag von Flüchtlingen in der BRD offenbart die stattfindenden Veränderungen. AsylbewerberInnen aus verschiedenen  Lagern in Berlin-Brandenburg haben das Wort. Sie werden berichten wie ihr Alltag aussieht. Sie wollen die Freude aus dem Lager weiterverbreiten. Jetzt haben sie eine Zukunft und wollen diese Zukunft mit uns teilen.
Ein Vortrag von der Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg und Afrika-Initiative: fib1998fib(at)yahoo.de  – asylmaerchen(at)yahoo.de

 

(5)   Schnittstellen von Sexismus und Rassismus – Beschreibungsversuche als Diskussionsanstoß (No Sexism)

Wir wollen in diesem Workshop zunächst einen Blick auf die gesellschaftlichen Diskussionen der letzten Jahre werfen: Medienberichte und politische Debatten drehen sich um „Zwangsprostitution“, „Zwangsehen“ oder „Kopftuchzwang“, und eine „fremde patriarchale Kultur“ wird gezeichnet, die häufig vollkommen anders scheint als die „westlich-demokratische Kultur“, in der Frauen vermeintlich gleichberechtigt sind. Darauf bezogen stellen sich mehrere Fragen: Welche Auswirkungen und Funktionen haben solche Bilder und welche Verhältnisse verbergen sie? Stützen sich bevölkerungspolitische Steuerungsversuche (nicht nur) weiblicher Migration zunehmend auf einen gesellschaftlichen Konsens, der Frauen in der Migration bzw. der nachfolgenden Generationen überwiegend die Opferrolle zuweist? Wo zwingen Migrationskontrollen und aufenthaltsrechtliche Regelungen Frauen gerade in Abhängigkeitsverhältnisse?

Deshalb werden wir versuchen, die migrationspolitischen Auswirkungen dieser Diskussionen beispielhaft zu beleuchten. Um hier schon einmal einige Beispiele zu nennen:

– Seit Herbst 2007 setzt der Nachzug von Ehegatt_innen aus fast allen Nicht-EU-Ländern den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse durch die/den nachziehende/n Ehepartner_in voraus. Die Einführung dieser Sprachanforderung wurde unter anderem mit dem oft gezeichneten Bild der (Heirats-)Migrantin als Opfer begründet: Die Sprachprüfung sollte angeblich Zwangsehen verhindern.

– Migration in die Sexarbeit wird wiederum häufig mit Gewalt, Menschenhandel bzw. Kriminalität gleichgesetzt. Von der Kampagne um bis zu 40.000 „Zwangsprostituierte“, deren Einschleusung angeblich vor der Weltmeisterschaft 2006 zu erwarten war, bis zu einer Vertreibung von in die Sexarbeit migrierten osteuropäischen Frauen verbinden sich Opferschutz und Bekämpfung zu zwei Seiten einer Medaille: Die Aufenthaltsverweigerung wird als Schutz der Frauen ausgelegt.

– Dagegen bleiben die Situation geflüchteter Frauen oder Flüchtlingslager als Orte eines fremdbestimmten Alltags, die etwa durch das Machtgefälle zwischen Personal und Bewohnerinnen oder die Wohnbedingungen sexuelle Gewalt oder Ausbeutung begünstigen, im Allgemeinen ausgeblendet.

Antirassistische Auseinandersetzungen um solche Themen sind zurzeit allerdings wenig vorhanden und tatsächliche Versuche einer Einmischung sind es noch weniger. So bleiben Einsprüche in diesem Feld oft Interessenverbänden und Beratungsstellen überlassen. Der Workshop soll daher ein Versuch sein, von beispielhaften Beschreibungen der Situation zu einer Diskussion über mögliche Perspektiven zu gelangen, die jenseits der mittlerweile verbreiteten Annahme liegen, dass den Frauen ein „europäisch-emanzipiertes Selbstverständnis“ aufgezwungen werden müsste. Wie können wir eingreifen?

 Gemeinschaftsworkshop von Women in Exile (WIE) and friends (Brandenburg/Berlin) und Frauen vom transnationalen Aktionsbündnis (Dortmund)

 

(6)   Last minute 1: Flüchtlinge verhindern ihre Abschiebungen (No Deportation)

An Bord des Flugzeuges ist es Aufgabe des Flüchtlings, in Gegenwart anderer Passagiere gegen seine Abschiebung zu protestieren. Es ist außerdem wichtig für ihn zu wissen, dass unerwarteter Protest, der nicht von den regulären Fluggästen stammt, bei der Polizei Gewalt hervorruft und sie weitere Mittel einsetzen, um die Abschiebung durchzuführen. Der Protest sollte innerhalb der letzten dreißig Minuten vor Abflug stattfinden. Beim Protest des Flüchtlings ist es sehr wichtig, deutlich zu machen was ihn in seinem Heimatland erwartet, um auf diese Weise die Unterstützung der anderen Fluggäste zu erhalten.

(7)    Last minute 2: Wie UnterstützerInnen beitragen können, Abschiebungen am Flughafen zu stoppen (No Deportation)

Allein am Flughafen Frankfurt werden jeden Tag circa zehn Abschiebungen vollzogen. Um dem etwas entgegenzuhalten wollen wir in diesem Workshop Handlungsstrategien aufzeigen und diskutieren, mit denen Aktivist*innen die Betroffenen bei ihrem Versuch unterstützen können, ihre Abschiebung im Flugzeug zu verhindern. Dabei sollen die Protestformen der Flyeraktionen direkt am Flughafen sowie der Fax/Emailproteste und Anrufe vorgestellt und Aktionsmaterial (wie Beispielprotestflyer -faxe, -mails) zugänglich gemacht werden. Bei Interesse (und Zeit) können die Protestformen in Rollenspielen ausprobiert und eingeübt werden.

Moderation: vernetzung_gegen_abschiebung (FFM)

 

(8)   Sarazzin in Deutschland, Rechtspopulismus in Europa (No Racism)

Thilo Sarrazins Hang zur Selbstinszenierung als enfant terrible der Integrationsdebatte ist kaum zu überbieten – wie auch der offene, rassistisch imprägnierte Sozialdarwinismus seiner Argumentation. Doch Sarrazin steht unmissverständlich für ein dubioses Modernisierungsprojekt: für das offensive Mainstreaming eines neuen Rassismus in Europa, des postliberalen Rassismus. Es ist ein Rassismus der radikalisierten Suburbia-Mittelschicht, die ihre Hegemonie jenseits des Parteienspektrums sucht und organisiert. Ihr Markenzeichen sind Latte Macchiato und postpolitischer Tabubruch mittels antimuslimischer Rhetorik. Jacques Rancière hat den Terminus Post-Politik eingeführt, um auf die etatistische Neutralisierung und Disziplinierung antagonistischer Verhältnisse in der Regierungspraxis neoliberaler Governance hinzuweisen. Denn die nunmehr in das privilegierende Paradigma der Mehrheitsgesellschaft Inkludierten verkörpern nicht nur die vermeintliche Toleranz der Dominanzgesellschaft und werden bezüglich der Einforderung von Gleichheitsrechten stillgestellt, sondern fungieren auch als Kontrollinstanz, die homophobe Äußerungen der ethnisierten »muslimischen« Akteure skandalisiert, affektiv auflädt und in »moralische Paniken« verwandelt. Es ist also nicht erstaunlich, worin die Effektivität solcher »moralischen Paniken« besteht: in der affektgeladenen Intensität der Selbstaktivierung von Eliten zur Durchsetzung eines »zivilisatorischen Auftrags« zur Disziplinierung devianter Subjektivitäten.

 

(9)    Antira-Netzwerke und Selbstorganisation – Solidarität oder „kalter Krieg“ (No Racism)


In den letzten zehn Jahren nahmen die Konflikte in der Zusammenarbeit zwischen antirassistischen deutschen Organisationen und selbstorganisierten Flüchtlingen rasant zu.
Während den einen Privilegien und Machtpositionen vorgeworfen werden, werden die anderen initiativlos dargestellt. Gleichzeitig steigt die Zahl der Abgeschobenen. Die Situation in den Lagern wird immer schlimmer.
Es stellen sich viele Fragen:
-Warum so viele Ablenkungsmanöver?
-Wer sind die Asylbewerber überhaupt und was wollen sie?
-Wer sind die antirassistischen deutschen Organisationen und was wollen sie?
-Haben diese beiden Gruppen überhaupt ein gemeinsames Ziel?
-Wenn ja, wo kommen die Konflikte her?
-Warum ist es so schwierig eine Grundlage zu finden auf der beide Gruppen klare definierte Rollen haben?
Unsere Veranstaltung soll nicht dazu dienen, den schlechten aktuellen Zustand zu verschärfen, sondern die Gelegenheit geben, sich über die belastende Situation Gedanken zu machen, um einen ehrlichen Weg für eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft zu finden.
Die Forderungen der Asylbewerber vom letzten Flüchtlingskongress in Berlin im Juni 2011 werden im Laufe dieses Workshops bekannt gegeben.
Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg und Afrika-Initiative.

 

Sa, 19.11.2011, von 15 bis 18 Uhr

Arbeitsgruppenphase II

 

(10)  Dublin II* muss weg! (Noborder)

Seit dem DublinII-Workshop auf der letzten Konferenz hat sich einiges verändert. Nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Sachen menschenrechtswidriger Internierungspraxis in Griechenland haben immer mehr europäische Länder die Griechenland-Abschiebungen stoppen müssen. Zugleich haben sich die Aktivitäten gegen DublinII weiterentwickelt: im Einzelfall wurden Abschiebungen verhindert (v.a. nach Malta), zu einzelnen Ländern (Italien, Ungarn, Malta, Polen) wurde recherchiert und Öffentlichkeit geschaffen – auch generell gegen Dublin II und für Bewegungsfreiheit. Im direkten Kontakt mit Flüchtlingen/ FlüchtlingsaktivistInnen/ AktivistInnen in verschiedenen europäischen Ländern gelingt es derzeit, Dublin II sehr konkret praktisch zu behindern. Seit Dublin II für die Rechtsprechung nicht mehr unangreifbar ist, gibt es immer mehr positive Gerichtsentscheidungen in Einzelfällen. Dazu hat viel die Öffentlichkeit bezüglich der Flüchtlingssituation in einzelnen Ländern beigetragen. Und eventuell kommt es im nächsten Jahr zu einer bedeutenden Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, die Dublin II generell und nicht nur Griechenland betreffen wird.

Wir schlagen vor:

– Strategien auszutauschen, was das Vorgehen gegen Dublin II und konkret gegen Dublin-Überstellungen in einzelne Länder angeht (Stichwort: Italien, Malta, Ungarn, Polen)

– Im Januar endet die Anweisung des Bundesinnenministeriums bzgl. Aussetzung der Griechenland-Abschiebungen und schon jetzt gibt es Tendenzen, die Situation dort schönzureden. Höchstwahrscheinlich wird die Anweisung verlängert, aber aufpassen (und eventuell vorarbeiten) müssen wir trotzdem.

– Eine allgemeine Einschätzung vorzunehmen, welche Interventionsmöglichkeiten vielleicht noch besser ausgeschöpft werden könnten. Hierzu gehören auch die Erfahrungen mit Abschiebeverhinderungen und DublinII-Kirchenasylen der vergangenen Monate.

 

(11)   Wo ist unser „Platz“? – Arabellion* und Migration, mediterraner Aufbruch? (Noborder)

„Der Aufbruch in Nordafrika zeigt, was alles möglich ist. Es geht um nicht weniger als um ein neues Europa, ein neues Afrika, eine neue arabische Welt. Es geht um neue Räume der Freiheit und Gleichheit, die es in transnationalen Kämpfen zu entwickeln gilt: in Tunis, Kairo oder Bengazi genauso wie in Europa und den Bewegungen der Migration, die die beiden Kontinente durchziehen.“ Antirassistische Netzwerke hatten diese optimistischen Zeilen in ihrer Deklaration „Freiheit statt Frontex“ Anfang März veröffentlicht. Kurze Zeit später drohte der arabische Frühling zwischen Bürgerkrieg und NATO-Intervention in Libyen aufgerieben zu werden, von Bahrein über Jemen bis Syrien dominierte die militärische Unterdrückung.
Im Mai aber starten massenhafte Platzbesetzungen in Spanien, dann im Juni quasi zeitgleich neue Wellen der Mobilisierung auf dem Syntagma- sowie Tahrir-Platz in Athen bzw. Kairo. Der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit suchte sich kurz darauf mit den Riots in London einen völlig anderen Ausdruck als im Zeltstadtprotest und den Massenhappenings in Tel Aviv. Doch selbst die Zeit konstatiert eine „Internationale des Aufstands“: „Jede politische Klasse, die soziale Gerechtigkeit ignoriert, verspielt irgendwann das moralische Kapital, die Einhaltung der herrschenden Regeln zu fordern. Das ist es, was Tel Aviv, Kairo, Madrid und London verbindet.“ (Die Zeit, 15.8.11)
Es wäre sicherlich vereinfachend und vorschnell zu behaupten, dass es einen schon gemeinsamen globalen Kampf für soziale Gerechtigkeit gäbe. Die unterschiedlichen Bewegungen entwickeln sich entlang lokaler Traditionen sozialen Aufbegehrens, die Bedingungen sind in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar, das Gefälle ist und bleibt gewaltig. Doch es gibt auch eine globale Konfiguration der Ungerechtigkeit, die die Aufstände provoziert und ihnen zusätzlich Kraft gibt. Globalisierung und Neoliberalismus, katalysiert durch die globale Finanzkrise und folgende „Sparprogramme“, haben überall zu einer massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen geführt.
Das zunehmende Wissen über globale Zusammenhänge, über Aufstände und Bewegungen an anderen Orten, in Echtzeit vermittelt durch neue Möglichkeiten der Massenkommunikation, hat eine globale Verbundenheit erzeugt und die Menschen inspiriert, selbst auf die Straße zu gehen. Ein Aufbegehren hat sich verbreitet, das geografische Distanzen und unterschiedliche gesellschaftliche Kontexte zu überspringen vermag. Wer hätte vor wenigen Monaten für möglich gehalten, dass sich junge Israelis in ihren Protesten in Tel Aviv auf den Tahrir-Platz beziehen würden? Und wer hatte vor wenigen Wochen geglaubt, dass der transnationale Aufbruch auch in Deutschland aufblitzen würde? Am 15. Oktober, als globaler Aktionstag von Netzwerken in Spanien initiiert, ist über den Umweg der Occupy Wallstreet Mobilisierung in den USA auch auf Plätzen in deutschen Städten einiges in Bewegung geraten. In Frankfurt geht ein Protestcamp Anfang November bereits in die dritte Woche…
Wie wollen wir uns aus den antirassistischen Netzwerken auf diesen gesamtgesellschaftlichen Kontext einlassen und einmischen? Wie hängen die Kämpfe gegen das EU-Grenzregime und gegen die kapitalistische Zurichtung zusammen? Wie sind Kämpfe für das Recht zu gehen (Exit) und für das Recht zu bleiben (Voice) verbunden? Wie können und wollen wir unsere transnationalen Kontakte entlang der Migrationsrouten, z.b. in Griechenland und Tunesien, darin produktiv machen? Lassen sich mit dem Boats4People-Projekt neue Fäden knüpfen, die die beiden Kontinente Afrika und Europa durchziehen? Und liegt nicht gleichzeitig in der Auseinandersetzung mit Prekarisierung die Brücke für eine Intensivierung gemeinsamer transnationaler Kämpfe von Tunis und Kairo über Madrid und Athen bis Frankfurt und Berlin?

Textlinks:
http://bordermonitoring.eu/ – Ausblickstext in Tunesienbroschüre
und Interview in Arranca: http://arranca.org/ausgabe/44/ein-neues-zeitalter-der-kaempfe

 

(12)   Selbstorganisierung von Abgeschobenen in Westafrika: Zwischen Neuorientierung und abermaligem Aufbruch… (Noborder)

Mit AktivistInnen von Afrique-Europe-Interact aus Mali

Bis heute haben sich aus verschiedenen Regionen Malis 40 Gruppen Afrique-Europe-Interact angeschlossen – hinzu kommen mehrere Gruppen bzw. AktivistInnen aus Burkina Faso, Senegal, Togo, Kamerun und dem Kongo. Viele sind in der praktischen Unterstützung von Abgeschobenen und Vertriebenen aktiv, die meisten der Gruppen wurden von Betroffenen selbst gegründet wie zum Beispiel die Organisation der Rückgeschobenen aus Zentralafrika in Mali (ARACEM) oder der Verein von jungen Abgeschobenen aus Spanien in der Region Yanfolila (AJRECY). Neben materieller, medizinischer, juristischer und psycho-sozialer (Erst-)Unterstützung spielen in der alltäglichen Arbeit vor allem praktische Überlebensfragen eine zentrale Rolle. Ziel ist es, Abgeschobene und Vertriebene im Aufbau einer neuen Existenzgrundlage zu unterstützen, etwa im landwirtschaftlichen Bereich. Darüber hinaus sind auch viele der Gruppen politisch aktiv. Schwerpunkt ihrer diesbezüglichen Arbeit ist die Kritik an der Kooperation der malischen Regierung mit europäischen (Abschiebe-)Behörden, zudem werden öffentliche Veranstaltungen über das ‚Für‘ und ‚Wieder‘ von Migration nach Europa durchgeführt.

In dem Workshop werden Alassane Dicko von der „Assoziation der Abgeschobenen“ Malis (AME/Association Malienne Expulsés) und Hamada Dicko vom „Verein zur Verteidigung der malischen MigrantInnen“ (ADEM/L’Association pour la Défense des Emigrés Maliens) über ihre Arbeit berichten, dabei wird es auch um die Situation der mehreren Zehntausend ArbeitsmigrantInnen gehen, die im Zuge der (Bürger-)Kriege in Libyen und der Elfenbeinküste fluchtartig nach Mali zurückgekehrt sind.

 

(13) Migrationskontrolle, Bevölkerungspolitik und Heteronormativität am Beispiel der Heiratsmigration (No Sexism/ Crossover zu No Border)

Seit die Familienzusammenführung neben der EU-Binnenmigration die häufigste (legale) Einreise- bzw. Aufenthaltsmöglichkeit geworden ist, geben sich der Gesetzgeber und die Behörden beträchtliche Mühe, diesen mehrheitlich Frauen zugänglichen Migrationsweg zu kontrollieren und zu regulieren. So wurde der Nachzug von Ehepartner_innen durch die Sprachprüfung vor der Einreise erschwert – und sogar das neu geschaffene „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat“, das angeblich außerhalb Deutschlands Zwangsverheirateten eine verlängerte Rückkehr ermöglichen sollte, wurde ein Auswahlverfahren: Die Wiedereinreisemöglichkeit ist nun von einer günstigen „Integrationsprognose“ abhängig.

Gleichzeitig wurde die „Ehebestandszeit“, nach der ein/e nichtdeutsche Ehepartner_in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten kann, mit der Begründung ausgeweitet, die Verlängerung werde „Scheinehen“ verhindern. Ehen (oder Partnerschaften durch den Begriff der „Scheinlebenspartnerschaft“) mit Nichtdeutschen werden so als verdächtig stigmatisiert und behördliche Eingriffe in Lebensumstände gefördert. Der Staat wird immer mehr zur Kontrollinstanz für private Lebensentscheidungen von Migrant_innen (und ihrer Lebenspartner_innen) und spricht ihnen – ebenso wie Arbeitslosengeld-II-Empfänger_innen – das Recht ab, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Familien/Partnerschaften/ Lebensgemeinschaften/Wohngemeinschaften definieren.

Wir nehmen die entsprechenden Gesetze, Verordnungen und Praktiken genauer unter die Lupe und wollen mit euch diskutieren, inwiefern mit dieser Form der Migrationskontrolle auch Normen für Lebensformen/Familien durchgesetzt werden sollen und bevölkerungspolitisch Einfluss genommen wird.

 

(14)    Perspektiven der Anti-Lager-Kämpfe (No Lager)

 

(15)    Wie sich Flüchtlingsfrauen selbst organisieren und sich in antirassistische Arbeit einbeziehen lassen (Crossover* zu No Sexism/ No Lager)

In den letzten zehn Jahren des Aktivismus und der Arbeit auf Graswurzelebene mit Flüchtlingsfrauen ist uns aufgefallen, dass sich sehr wenige Frauen in der Antirassismusarbeit engagieren und die Mehrheit derer, die es tun, unmittelbar nachdem sie eine Aufenthaltserlaubnis haben, das Interesse verlieren oder  keine Zeit mehr dafür haben. Im Workshops werden wir uns auf die folgenden Punkte (und mehr?) konzentrieren.
Wie können Flüchtlingsfrauen zu Aktivismus motiviert werden?
Warum haben Flüchtlingsfrauen Angst oder nicht willens, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen?
Wie motivieren wir diejenigen, die bereits aktiv sind oder diejenigen, die Interesse an Aktivismus haben, weiterzumachen, nachdem sie eine Aufenthaltserlaubnis haben?

Women in Exile Berlin/Brandenburg
„Women in Exile“ (WIE) ist eine Gruppe von Flüchtlingsfrauen, die sich mit den Problemen von Flüchtlingen aus der Sicht von Frauen befassen und Gesetze bekämpfen, die gegen die Emanzipation von Frauen und Kindern gerichtet sind. 2011 startete WIE+sisters+friends die Kampagne: Keine Lager für Frauen! Alle Lager abschaffen!
Homepage: http://womeninexile.blogsport.de
Email: frauenasyl(at)yahoo.co.uk

 

(16) „Fußballfeld des Westens“: Zum Verhältnis westlicher Länder zu Afrika (No Neocolonialism)

Der afrikanische Kontinent wird mehr und mehr zu einem riesigen Spielfeld – wie ein Fußballfeld – für die westlichen wirtschaftlichen, geostrategischen, ideologischen bzw. militärischen Interessen. Der bedeutendste Rückstand bzw. Bedarf an Investitionen dient als gute Rechtfertigung für die ausländischen Mächte, denn offiziell wird nur von Entwicklungshilfe, Terrorismusbekämpfung, etc. gesprochen.
Für die historischen Kolonialherren sind die Ausbeutungsgebiete zu erhalten bzw. zu erweitern. Es geht darum, Rohstoffe für den eigenen Industriebedarf zu sichern aber auch den Weg für neue Konkurrenten – wie China – zu versperren. Dafür werden alle möglichen Mittel eingesetzt, auch wenn diese komplett im Widerspruch mit der vermeintlich verbreiteten Theorie der „Good Governance und Entwicklungspolitik“ oder der „Demokratie“ stehen.
Auf keinem anderen Kontinent haben sich in den letzten zwei Jahren so viele Ereignisse abgespielt wie auf den Afrikanischen Kontinent:
Während die Bevölkerung an schlimmen Dürren und Hungersnöten, AIDS und weiteren Krankheiten, etc. leidet, werden Regierungen auf-, aus- und umgebaut; Milizen werden finanziert und bewaffnet; Bürgerkriege werden arrangiert und montiert; Rebellen werden als Helden auf den internationalen Tribunen empfangen und bejubelt; Länder werden zersplittert und andere neu gegründet, etc. Man befürchtet, zu Recht, eine neue Form der Kolonisierung – die schlimmste wahrscheinlich.
Auf dem Spielfeld stehen mittlerweile neue Spieler – wie China – und einige Fragen lassen sich im Hintergrund stellen: Ist das Gerangel um die Schätze Afrikas zwischen dem Westen und dem immer mächtigeren China eine Gelegenheit um die Weltordnung neu zu denken? Bestehen dahinter Konfliktpotenziale zwischen den mächtigsten Spieler? Und schließlich, welche Rolle spielen die afrikanischen Politiker, denn für viele von ihnen ist die Frage wichtig, wie man diese Situation als Vorteil für sich nützen kann.
Ein Vortrag der Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg (Fib1998fib(at)yahoo.de) und Afrika-Initiative  (asylmaerchen(at)yahoo.de)

 

(17)   Gemeinsamer Einstieg: Widerstand gegen Sammelabschiebungen (No Deportation) dann Aufteilung in zwei Arbeitsgruppen

The Voice Baden-Württemberg, Projekt Roma Center Göttingen e.V.

Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main

Von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex finanziert und koordiniert sind in den letzten Jahren immer mehr Flüchtlinge und MigrantInnen mittels Sammelabschiebungen aus Europa in ihre vermeintlichen Herkunftsländer abgeschoben worden. Aus Deutschland werden solche Abschiebungen mit gecharterten Flugzeugen insbesondere über die Flughäfen Düsseldorf und Baden Baden durchgeführt. Seit die Bundesrepublik 2009 damit begonnen hat, langjährig gedul-dete Flüchtlinge aus dem Kosovo abzuschieben, werden von dort aus insbesondere Roma und Ashkali mit Sammelchartern in die Länder des ehemaligen Jugoslawiens abgeschoben.

Aus Österreich ist uns bekannt, dass in den letzten beiden Jahren eine große Zahl von EU-koordinierten Charterabschiebungen nach Nigeria organisiert wurde. Und auch in der Schweiz sind die Nigeria-Charter 2011 nach einer längeren Pause wieder aufgenommen worden.

Doch wo Abschiebungen durchgeführt werden, gibt es auch Widerstand. An Flughäfen wie Düsseldorf, Baden Baden oder Wien haben im letzten Jahr immer wieder Proteste gegen Sammelabschiebungen stattgefunden. Vor diesem Hintergrund wollen wir mit unserem Work-shop antirassistische Gruppen und Einzelpersonen, die an verschiedenen Orten gegen Abschiebungen aktiv sind, zusammenbringen und über die Perspektiven einer Bündelung unserer politischen Aktivitäten diskutieren. Nach einem gemeinsamen Erfahrungsaustausch teilt sich der Workshop in zwei Arbeitsgruppen, um an den Beispielen der Aktionen gegen Roma-Abschiebungen und der Idee einer Nigeria-Kampagne konkrete Handlungsmöglichkeiten gegen Sammelabschiebungen zu entwickeln.

(17a) AG 1 am Beispiel Nigeria: Gegen Botschaftsanhörungen und Frontex-Charter*

Die erste Arbeitsgruppe konzentriert sich auf die alle bleiben!-Kampagne, die vom Roma-Center Göttingen e.V. gegen die Entrechtung und Abschiebung von langjährig geduldeten Roma, Ashkali und Ägyptern nach Kosovo gegründet wurde. Was erwartet Roma im Kosovo und wie ist ihre Lager hier in Deutschland. Wie weiter gegen die Roma-Sammelabschiebungen aus Baden Baden und Düsseldorf? Input: Roma-Center Göttingen e.V.

(17b) AG 2 am Beispiel der Roma: Abschiebungen stoppen – Alle bleiben!

In der zweiten Arbeitsgruppe wird die Idee einer Nigeria-Kampagne vorgestellt, die sich gleichermaßen gegen die regelmäßig stattfindenden Botschaftsanhörungen von Flüchtlingen

zur Ausstellung von nigerianischen Reisepapieren wie gegen die Frontex-Sammelcharter nach Nigeria richten soll. Gelingt es uns, ein überregionales antirassistisches Netzwerk zu knüpfen, das Öffentlichkeit über die Kollaboration zwischen nigerianischer Botschaft und deutschen Behörden herstellt und Protestaktionen gegen Nigeria-Sammelabschiebungen organisiert? Input: The Voice Baden-Württemberg

Wir freuen uns, wenn sich Gruppen, die an der Zusammenarbeit im Rahmen einer der beiden Arbeitsgruppen interessiert sind, schon vor der Konferenz unter nodeportations(at)gmx.de melden. Auch inhaltliche Resonanz zum Workshop ist sehr willkommen.

 

(18)   Kampf gegen rassistische Polizeigewalt (u.a. mit Bezug auf Oury Jalloh) und gegen rassistische Sondergesetze (No Racism)

Mit AktivistInnen von der Oury-Jalloh-Initiative aus Dessau und Berlin

Am 7. Januar 2005 ist Oury Jalloh im Polizeirevier Dessau bei lebendigem Leib verbrannt. Bis heute weiß die Öffentlichkeit nicht, was an diesem Tag in Zelle Nr. 5 tatsächlich geschehen ist. Während Verwandte, FreundInnen und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh von Mord sprechen, wurde im ersten Prozess gegen zwei Polizisten lediglich Anklage wegen „Körperverletzung mit Todesfolge“ bzw. „fahrlässiger Tötung“ erhoben. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Das Lügengestrüpp der ZeugInnen war einfach zu dicht, zumindest für einen Richter, der weder willens noch in der Lage war, das Verfahren mit aller Entschiedenheit durchzuführen – was auch in seinen abschließenden Worten bei der Urteilsverkündung deutlich wurde: „All diese Beamten, die uns hier belogen haben, sind einzelne Beamte, die als Polizisten in diesem Land nichts zu suchen haben. (…) Ich habe keinen Bock, zu diesem Scheiß noch irgendwas zu sagen.“

Am 7. Januar 2010 kassierte der Bundesgerichtshof in einer spektakulären Entscheidung das Urteil des Dessauer Landgerichts. Der Fall wird nun vorm Landgericht Magdeburg neu aufgerollt. Erneut steht die von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft vertretene Behauptung auf dem Prüfstand, wonach Oury Jalloh die feuerfeste Matratze selbst angezündet haben soll – und das, obwohl er an Händen und Füßen fixiert war. Ebenfalls neu verhandelt wird, weshalb der diensthabende Polizeibeamte mehrfach den Rauchmelder aus dem Zellentrakt ausgeschaltet hat. Hinzu kommen zahlreiche neue Widersprüche und Indizien, die erst jüngst bekannt geworden sind – einschließlich der leider üblichen Skandale und Schikanen, die den Oury Jalloh-Prozess bereits beim ersten Verfahren durchgehend begleitet haben (Polizeiübergriffe auf ProzessbeobachterInnen am 11.08.2011, Einschüchterung der Oury Jalloh-Initiative durch die Gewerkschaft der Polizei, Gebühren für Verlassenserlaubnisse des Landkreises, um am Verfahren teilnehmen zu können etc.).

In der Veranstaltung werden Mitglieder der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh nicht nur vom aktuell laufenden Prozess berichten, es soll auch um den ersten Prozess gehen (hierfür kann je nach Bedarf auch eine aktuelle Version des mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilms „Tod in der Zelle“ gezeigt werden). Zudem soll zur Sprache kommen, dass Oury Jalloh kein Einzelfall ist. Auch sonst endet rasssistische Polizeigewalt immer wieder tödlich. So sind N’deye Mareame Sarr, Halim Dener, John Achidi, Zdravko Nikolov Dimitrov, Aamir Ageeb, Arumugasamy Subramaniam, Dominique Koumadio und viele andere Opfer der deutschen Polizei und ihrer rassistischen Straflosigkeit geworden. Die Mehrheit dieser Fälle wurde nicht einmal vor Gericht gebracht.

Weitere Infos unter: http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

 

(19)   Reflektionen über Unterstützungsarbeit in der antirassistischen Bewegung (No Racism)

Unterstützungsarbeit ist eine Arbeit, die immer schon ein Gefälle beschreibt. Es gibt Personen/Gruppen, die unterstützen und Personen/Gruppen, die unterstützt werden und oder Unterstützung benötigen. Doch im Kern geht es um Solidarität, um ein solidarisches Handeln, das möglichst allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen soll und zwar da wo sie leben wollen.
In dem Workshop wollen wir uns, aus der Sicht der Unterstützer_innen,
unsere eigene Rolle anschauen und betrachten welche Fragen und
Schwierigkeiten immer wieder aufgeworfen werden. Dazu gehört auch damit aufzuräumen, dass Unterstützer_innen oft als weisse-deutsche gedacht werden und nicht als schwarze/migrantische Personen.
Welche Fragen und Schwierigkeiten werden bei Unterstützungsarbeit immer wieder aufgeworfen. Betrachten sich antirassistische Aktivit_innen als Unterstützer_innen? Gibt es einen Unterschied zwischen Unterstützung und Solidarität? Wie kann mit dem Gefälle (an Ressourcen, an Sicherheit, an Rechten, an Kontakten/Beziehungen) umgegangen werden? Und sind sich die verschiedenen Aktivist_innen ihrer Position in der Gesellschaft bewusst (das z.B. von einer weiß-deutschen Position aus ganz andere Einflussmöglichkeiten bestehen als von einer schwarz-migrantischen oder z.B. von der Position als Roma)?

Es ist klar, dass wir all das in zwei Stunden Workshop leider nicht ausführlich erörtern können. Deswegen wollen wir einzelne Punkte für Kleingruppen vorschlagen, die im Workshop noch um weitere Punkte erweitert werden können.
1.    Kleingruppe: Austausch und Sammeln von Ideen, wie das Gefälle an Ressourcen usw. abgebaut werden kann und wie mit Wissenshierarchien umgegangen werden kann.
2.    Kleingruppe: Unterstützung oder Solidarität? Ist das ein Widerspruch? Sind Unterstützer_innen „nur Aufgabenerfüller_innen“? Und wie können Aktivist_innen mit weniger Ressourcen, diese bei Aktivist_innen mit mehr Ressourcen einfordern?
3.    Kleingruppe: „Oh, dass schon wieder!“ Wie kann mensch in der solidarischen, antirassistischen Arbeit Offenheit bewahren und nicht die Anliegen und Vorschläge von Personen, die Rassismus erfahren und oder Unterstützung benötigen abtun?
4.    Kleingruppe: Die eigene Position in der antirassistischen Arbeit reflektieren, welche Ressourcen habe ich, welche Privilegien und was macht das mit der politischen Zusammenarbeit?

Wir möchten in dem Workshop darauf achten, dass für alle Personen übersetzt wird, so weit das Personen, die am Workshopteilnehmen tun können. Wir haben keine extra Übersetzer_innen engagiert.

 

(20)  Prekär streiken: praktische Anregungen nicht nur für den 1. März 2012 (No Exploitation)

1. März? Transnationaler Migrant_innenstreik! Die Idee geht auf Massenproteste in den USA zurück, wo sich 2006 über eine Millionen Menschen am „A Day Without Us“ beteiligten. Vier Jahre später haben auch in Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland  Aktivist*innen die Idee aufgegriffen und am 1. März dutzende Betriebe bestreikt. Zehntausende gingen auf die Straße und demonstrierten gegen rassistische Diskriminierungen und für gleiche Rechte. 2011 haben sich die Proteste noch ausgeweitet, auch Wien war erstmals mit dabei. Der 1. März könnte als antirassistischer Aktionstag etablieret werden, an dem Migrant_innen als politische Subjekte auftreten und sich gemeinsam gegen die herrschenden Politiken von Ausbeutung und Diskriminierung zur Wehr setzen. Im Workshop wollen wir die Idee des 1. März vorstellen, Fragen zu Bedingungen und möglichen Formen für einen Streik bei prekärer, undokumentierter Arbeit stellen und mit Euch diskutieren: Wer oder was prekarisiert uns? Welche Aktion würde Deine Arbeit blockieren? Wie möchtest Du gegen (Deine) Prekarisierung kämpfen? Wir greifen in dem Workshop auf einen Fragebogen aus der Kampagne für einen Prekären Streik in Italien auf – ein Streik, der in der Prekarität entsteht und sich gegen Prekarität richtet. Und wir setzen auf MayDay-Basteltradition: Am Ende des Workshops werden wir mit den Diskussionsergebnissen Postkarten produzieren –  mit unseren Statements und Forderungen gegen Prekarisierung von Arbeit und Leben. Verkleidung, Masken und Drucker bringen wir, Perücken und Lust zur politischen Diskussion Ihr.

WS: Prekärcafé und 1.März/Transnationaler Migrant_innenstreik, Wien

 

 

Arbeitsgruppen-Phase III

Sonntag, 20.11.2011, 11:00-12:30 Uhr

 

(21)  Gemeinsames Projekt/Bündelungsmobilisierung/Nobordercamp 2012??

 

(22)  Antira-Kompass als neues Medium der Verbreiterung und Vernetzung

Der Vorschlag einer übergreifenden Web-Plattform als „Gelbe Seiten“ für die antirassistische Bewegung kam bei der ersten „No Border lasts forever“-Konferenz auf. Denn die Vielfalt der Netzwerke und Kampagnen zu Flucht, Migration und Antirassismus macht es bisweilen sogar InsiderInnen nicht ganz einfach, einen Überblick zu behalten. Der Zugang für Neu-Interessierte gestaltet sich schwierig, und nicht selten laufen Mobilisierungen unverbunden nebeneinander her, wo Absprache und Koordination sinnvoll und von gegenseitigem Nutzen wäre.

Der Antira-Kompass soll insofern sowohl der Verbreiterung als auch der Vernetzung dienen, ob und wie weit auch Diskussionen auf dieser Plattform geführt werden können, ist allerdings eine offene Frage. Jedenfalls benötigt der Kompass Aktive aus verschiedenen Netzwerken und Regionen, die zumindest zu- und am besten mitarbeiten, damit das neue Projekt die inhaltliche und praktische Vielfalt der Antira-Bewegung wiederspiegelt, aktualisiert bleibt und beworben und genutzt wird.

Ein Anfang wurde mittlerweile gemacht, die Plattform hat ein erstes Gerüst und Layout, an Hand dessen wir in der Arbeitsgruppe nicht nur weitere Ideen und Möglichkeiten sondern den konkreten Auf- und Ausbau diskutieren wollen.

http://kompass.antira.info/

 

(23)  Workshop zur Mobilisierung gegen die IMK* im Dezember in Wiesbaden

Anfang Dezember treffen sich Bundes- und Landesinnenminister zu ihrer nächsten Konferenz (IMK) in Wiesbaden, für den 7.12. mobilisieren Jugendliche ohne Grenzen (JoG) und ihre Bündnispartner erneut zu einer Demonstration unter dem Titel „I love Bleiberecht für Alle“.

Der Hintergrund: In Deutschland leben immer noch knapp 90.000 geduldete Flüchtlinge, davon 53.000 seit mehr als sechs Jahren, und einige hunderttausend Menschen ohne jeglichen Aufenthaltsstatus mit ständiger Angst vor der Abschiebung. Am Ende des Jahres droht zudem bis zu 15.000 vorläufig Bleibeberechtigten, obwohl sie schon mehr als zehn Jahre in Deutschland leben, der Rückfall in die Duldung und damit die Abschiebung.

Seit 2005 erzeugen vor allem die regelmäßigen Proteste von jungen Flüchtlingen bei den IMKs mächtig öffentlichen Druck und sie haben den Innenministern bereits einige Zugeständnisse abgetrotzt. Mit den so genannten Altfallregelungen von 2006/7 erhielten 60.000 Menschen, die abgeschoben werden sollten, ein Bleiberecht. In 2010 befürworteten die Innenminister ein spezielles Bleiberecht für 15 bis 21 Jährige Langzeitgeduldete. Die Besonderheit: Waren die vorherigen Regelungen stichtagsabhängig und daher nur einmalig wirksam, ist mit dem §25a AufenthG eine dauerhaft wirksame rollierende Regelung geschaffen worden. Eine solche Regelung auch über die Jugendlichen hinaus ist derzeit in der Diskussion.

In der Arbeitsgruppe soll der Kampf ums Bleiberecht bilanziert und weitere Schritte erörtert werden – nicht zuletzt mit der Frage, wie die anstehende Mobilisierung nach Wiesbaden so stark und öffentlichkeitswirksam wie möglich gemacht werden kann.

Weitere Infos unter: http://jogspace.net/

 

(24)  Landgrabbing: Vertreibungen, Hunger und ökologischen Zerstörungen durch neokolonialen Landraub in Afrika – transnationaler Kampagnenvorschlag von Afrique-Europe-Interact

Mit mehreren AktivistInnen von Afrique-Europe-Interact (u.a. aus Mali und dem Kongo)

Spätestens seit der Explosion der Lebensmittelpreise im Zuge der globalen Finanzkrise im Jahr 2009 hat der Ausverkauf fruchtbarer Böden an weltweit operierende Investmentfonds, Banken und Konzerne erheblich an Tempo zugenommen. Dabei gehen 75 Prozent der Landverkäufe auf Kosten Afrikas, mit am stärksten betroffen sind Äthiopien, Mali und der Kongo – alles drei Länder, in denen beträchtliche Teile der Bevölkerung chronisch unterernährt sind. So wurden allein in Mali in den letzten drei Jahren 500.000 Hektar fruchtbares Ackerland verkauft, über weitere 500.000 Hektar wird aktuell verhandelt. Insgesamt hat die Regierung die Hälfte der malischen Ackerfläche zum Verkauf ausgeschrieben, am stärksten betroffen ist bislang das Office du Niger, eine äußerst fruchtbare Anbauregion 270 Kilometer östlich von Bamako mit insgesamt über 350.000 BewohnerInnen. Ob für Agrotreibstoffe, Export-Getreide oder Spekulationszwecke – der Ausverkauf von Land geht für die ansässigen Kleinbauern und -bäuerinnen nicht nur mit Feldzerstörungen oder Landvertreibungen einher, auch die Grund- und Flusswasserspiegel sinken erheblich. Hinzu kommt, dass das Klima massiv in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn die CO2-Bilanz von agrarindstriell angebauten Agrotreibstoffen ist meist genauso schlecht, wenn nicht schlechter wie diejenige fossiler Brennstoffe – ein Umstand, welcher darauf verweist, dass Agrotreibstoffe nur wenig mit „Bio“, dafür aber viel mit schwindenden Nahrungs- und Erdölreserven („Peak Oil“) zu tun haben.

Und doch: Landgrabbing geht keineswegs stillschweigend über die Bühne, vielmehr setzen sich die unmittelbar betroffenen Kleinbauern und -bäuerinnen massiv zur Wehr (inklusive Repression seitens staatlicher Behörden). In Mali ist daraus im November 2010 der insbesondere von kleinbäuerlichen Organisationen initiierte „Appell von Kolongo“ hervorgegangen, welcher erst jüngst durch den beim 10. malischen Sozialforum verabschiedeten „Appell von Niono“ bekräftigt wurde („Es ist  notwendig, dass die Menschen in Afrika und Mali aktiv werden“).  Zudem wird vom 17. bis 20 November (also zeitgleich zu unserer Konferenz in Frankfurt) in Nyeleni/Mali eine internationale, vor allem von der weltweiten Kleinbauernorganisation „via campesina“ auf den Weg gebrachte Aktionskonferenz zu Landgrabbing stattfinden.

Am Anfang des Workshops wird zunächst in zwei kurzen Inputs über die aktuellen Entwicklungen beim weltweiten Landgrabbing sowie über kleinbäuerlichen Widerstand in Mali berichtet. Danach möchten wir gemeinsam diskutieren, was hierzulande gegen die neokoloniale Landnahme im Süden getan werden kann. nicht zuletzt als Unterstützung des Widerstands, den es bereits gibt bzw. der sich zur Zeit entwickelt: Beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen bei Banken, welche am Landgrabbing beteiligt sind (erwähnt sei insbesondere der DWS-Fonds der Deutsche Bank) oder Aktionen bei Lufthansa, die zur Zeit einige Flugzeuge mit Agrosprit aus Mosambique probefliegen lässt etc.).  Hintergrund ist, dass Afrique-Europe-Interact zukünftig neben migrationsbezogenen Fragestellungen auch stärker im Bereich gerechter bzw. selbstbestimmter Entwicklung aktiv werden möchte – gerade deshalb ist uns in Frankfurt die gemeinsame Debatte mit AktivistInnen aus Mali besonders wichtig (und wahrscheinlich wird auch Victor Nzuzi aus dem Kongo an dem Workshop teilnehmen, den einige bereits beim Klima-/Antira-Camp 2008 in Hamburg kennengelernt haben).